In Robschitz, der Stadt des Rabbi Naftali, pflegten die Reichen, deren Häuser einsam oder am Ende des Ortes lagen,
Leute zu dingen, die nachts über ihren Besitz wachen sollten.
Als Rabbi Naftali sich eines Abends spät am Rande des Waldes erging, der die Stadt säumte, begegnete er solch einem auf und nieder wandelnden Wächter.
"Für wen gehst du?" fragte er ihn. Der gab Bescheid, fügte aber die Gegenfrage daran:
"Und Ihr, für wen geht Ihr, Rabbi?"
Das Wort traf den heiligen Mann wie ein Pfeil.
"Noch gehe ich für niemand", brachte er mühsam hervor, dann schritt er lange Zeit schweigend neben dem Mann auf und nieder.
"Willst du mein Diener werden?" fragte er endlich. "Das will ich gern", antwortete jener, "aber was habe ich zu tun?"
"Mich zu erinnern", sagte Rabbi Naftali.
© Ulrich Sander, Frankfurt am Main 2000